Port Royale 4

Als alter Fan von Spielen wie z.B. „Patrizier“, „Pirates“, „Vermeer“ oder „Hanse“ war ich sehr erfreut zu hören, dass es mit Port Royale 4 einen weiteren Nachfolger in diesem Genre gibt. Port Royale 4 ist eine Mischung aus Aufbau- und Handelssimulation im Flair der Kolonialzeit der Karibik. Ich war bereits bei der ersten Version dieses Spiels ein eifriger Mitspieler und nachdem ich bisher ältere Spiele rezensiert habe, möchte ich heute mal ganz aktuell, am Nabel der Veröffentlichung, dabei sein und dieses Spiel testen. Die offizielle Veröffentlichung war am 25.09.2020, jedoch konnte ich es nicht erwarten und habe bereits ein wenig vorher in die Betaversion hineingeschnuppert.

Gefällige Tutorials von einem alten Seebären erzählt

Der Start beginnt mit einer netten, wenn auch nicht außergewöhnlichen, Animation und die Tutorials sind gefällig und kurzweilig. Vor allem die Sprachumsetzung des alten Kapitäns, der mich in das Spiel einführt, fand ich sehr gelungen. Die Musik und akustische Atmosphäre schaffen es, dass man sich schnell wieder in den Flair dieser außergewöhnlichen Epoche hineinversetzt fühlt.

Die Bedienung ist schnell erlernt und schon kann es losgehen. Im Spiel selbst wird man durch die Missionen seines Staatsoberhauptes auf Spur gebracht und hat ständig etwas zu tun. Als Erstes beginnt man gechillt bei den Spaniern, die mit ihrer großen Zahl an kleinen Städten in der Karibik ein großes Handelspotenzial bieten. Es herrscht Friede und man kann ein paar schöne Handelsrouten einrichten um Geld zu horten.

Das Let´s Play zu Port Royale 4 ist das dritte Video in meinem neuen YouTube-Kanal

Die Handelsrouten sind leicht zu bedienen, auch wenn mich das Scrollen etwas genervt hat. Wenn man eine Ware weiter unten in der Liste seiner Route ändern möchte, muss man immer scrollen, was es etwas schwieriger macht den schnellen Gesamtüberblick einer Route zu behalten. Da fände ich eine Listenform, mit allen Waren auf einen Blick, besser.

Es ist einfach schön zu beobachten, wie die eigenen Schiffchen sich von Hafen zu Hafen hangeln um Deine Waren zu handeln

Trotzdem kann man die Routen schnell über einen Einkaufs-/Verkaufsautomatismus einrichten, der auch tatsächlich kontinuierlich Gewinne einfährt, so lange hier nichts böses dazwischen kommt…

Man kann eigene Plantagen bauen und selbst Waren produzieren

Etwas schwieriger wird es dann schon, wenn man in den „nächsten Level“ aufsteigt und nicht nur Waren ein- und verkauft, sondern selbst produziert. Es ist natürlich toll, dass man sein Unternehmen in dieser Form aufwerten und eigene Plantagen in den Städten hochziehen kann. Dadurch wird man wirklich, wie vom Entwickler versprochen, zum Gestalter dieser Welt und kann Warenverknappungen oder einen Überfluss schaffen und somit die Preise beeinflussen.

Beim Zoomen in die Stadt kann man die Plantagen sehen und neue bauen

Aber aufgepasst, wenn man zu viele Waren produziert, fallen nicht nur die Verkaufspreise, sondern es steigen auch die Lagerkosten. Tatsächlich habe ich es geschafft mein erstes Spiel dadurch in den Bankrott zu steuern. Also immer darauf achten, dass man seine produzierten Waren gut an den Mann bringt.

Missionen erfüllen ist das Hauptziel des Spiels

Die Missionen Deiner Nation sind die zentrale Aufgabe im Spiel und sind mit einer strikt einzuhaltenden Zeitvorgabe zu erfüllen, aber daneben gibt es noch einige andere Dinge, die man so erledigen kann. So begegnet man zum Beispiel alten Seefahrern, die einem ein Stück einer Schatzkarte verkaufen, den man schließlich selbst heben kann. Man kann Schiffbrüchige retten, gestrandetes Gut bergen oder Städten aushelfen, die einen großen Warenmangel haben. Alle Aufgaben werden natürlich belohnt und dadurch bietet das Spiel eine sehr kurzweilige Unterhaltung.

Kommen wir zum Kampf: Wenn man es geschafft hat sich Kampfschiffe kaufen oder bauen zu können, wird es auch mal zu einem Gefecht mit einer anderen Nation oder einem Piraten kommen. Die Kämpfe sind zum Glück rundenbasiert, somit hat man genügend Zeit und es entsteht keine Hektik. Leider bin ich damit nicht so richtig warm geworden, da die taktischen Möglichkeiten eher durch die zusätzlichen Optionen bestimmt werden, die ich mir über erfolgreiche Missionen erspielt habe.

Die automatischen Kämpfe sollte man vermeiden

Die Seekämpfe laufen entspannt rundenbasiert ab, aber die automatischen Kämpfe sind kaum zu gebrauchen, da sie nur dann Sinn machen, wenn man klar überlegen ist, was eher selten der Fall ist. Ansonsten muss man das Gefecht selbst austragen, wenn man gut dabei abschneiden möchte. Man kann beispielsweise einen Kampf mit dem Zugewinn (Entern) von mehreren gegnerischen Schiffen erreichen, der bei einer automatischen Berechnung mit einem Totalverlust geendet hätte.

Aussichtsloser Seekampf gegen die spanische Schatzflotte

Ich könnte jetzt noch vieles schreiben, z.B. wie schön die Winde in die eigenen Handelsrouten eingebaut werden können, dass man sich zum Verwalter einer Stadt hocharbeiten und damit das Stadtbild prägen kann, dass die eigenen Kapitäne viele steigerbare Eigenschaften mitbringen, etc.

Leider kein Multiplayer

Aber schlussendlich muss ich sagen, dass Port Royale 4 zwar ein schönes und kurzweiliges Spiel ist, das aber eher an den Erfolg seiner Vorgänger anknüpft, als echte Innovation zu bieten. Die Optik ist ok, aber da wäre schon noch Luft nach oben gewesen. Die Spielmechanik ist gut, aber diese beruht auf der Erfüllung der Missionen und sobald ich diese durch habe, werde ich das Spiel zur Seite legen und nicht mehr anfassen.

Was hier ganz klar fehlt ist ein Multiplayer-Modus, den es übrigens im ersten und dritten Teil dieses Spiels noch gab. Ich verstehe nicht, warum man sich diesen nicht mehr zutraut, vielleicht ist er zu herausfordernd und die Macher wollten sich damit nicht aufs Glatteis begeben und mit dem altbewährten Prinzip Gewinn einfahren.

Entwickler Gaming Minds

Die Geschichte zum Entwickler Gaming Minds reicht weit in die Vergangenheit zurück und hatte viele Höhen und Tiefen. Los ging es im Jahre 1991 mit der Gründung der Entwicklerfirma Ascaron in Gütersloh, die im Juni 1992 ein innovatives und erfolgreiches Spiel namens „Der Patrizier“ herausbrachte. Später folgten Spiele wie „Anstoss“, „Hanse“, „Vermeer“, „Port Royale“, „Sacred“, etc. Damit zählte Ascaron zu den erfolgreichsten Spieleentwicklern in Deutschland, musste jedoch gleich zweimal Insolvenz anmelden (einmal im Jahre 2001 und dann nochmal im Jahre 2009). Beim zweiten Insolvenzverfahren 2009 wurde das Unternehmen schließlich zerschlagen.

Während Deep Silver sich die Rechte an Sacred sicherte, erwarb Kalypso alle anderen Rechte und gründete mit dem ehemaligen Team (15 Mitarbeiter) in Gütersloh die Firma Gaming Minds GmbH, die hernach noch mit Spielen wie Railway Empire, Grand Ages: Medieval, Rise of Venice, Port Royale 3, den 4. Teil vom Patrizier und Dark Star One erfolgreich ist. 2020 hat Kalypso seine 60% Anteile an Gaming Minds auf 100% aufgestockt und damit ist Gaming Minds nun eine 100%ige Tochter von Kalypso.

Publisher Kalypso Media

Kalypso ist sowohl Entwickler als auch Publisher mit ca. 100 Angestellten an sieben Standorten in Deutschland, England und den Vereinigten Staaten. Dabei hat Kalypso mit Realmforge Studios ein eigenes Tochterunternehmen gegründet und mit der Insolvenz von The Games Company / Silver Style Entertainment Rechte und Mitarbeiter von weiteren Firmen als nur Ascaron übernommen.

Die Kalypso Media Group GmbH hat ihren Sitz in Worms. Eines der bekanntesten Spiele von Kalypso dürfte, neben den bereits unter Gaming Minds genannten, Tropico sein.

Fazit

Port Royale 4 knüpft nahtlos an die Mechanik und Erfolge seiner Vorgänger an. Das ist gleichzeitig Pro und Contra dieses Spiels: Es hat Flair, es macht Spaß, es ist kurzweilig, es vereint Handel und Aufbau in einer besonderen Epoche, aber sobald man die Missionen durchgespielt hat, bietet es keine großen Anreize mehr.

Irgendwie haben sich die Macher des Spiels nicht mehr getraut einen Multiplayer-Modus zu integrieren. Aber genau dieser hätte Port Royale 4 über längere Zeit Spannung verschaffen können.

Trotzdem bekommt das Spiel von einem Fan wie mir eine klare Kaufempfehlung, auch wenn es nach wenigen Wochen abgespielt ist.

Wolfgang Scheidle – Redaktion WebGamers

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